Anschluss gesucht
Im Jahr 1746 bekam Pieter van Musschenbroek eine gewischt. Er hatte einen Eisennagel in eine Wasserflasche gesteckt, ihn durch Reibungselektrizität elektrostatisch aufgeladen und dann das blanke Metall berührt. Dieser Versuchsaufbau, den der Naturwissenschaftler in seinem Labor in der südholländischen Stadt Leiden konstruiert hatte, ist bis heute als erster Kondensator unter dem Begriff "Leidener Flasche" bekannt.
Die Elektrizität in unserem heutigen Stromnetz wird anders erzeugt und fließt durch Kupferkabel statt durch Eisennägel. Eines aber ist gleich geblieben: Berührt man das stromführende Metall, bekommt man einen Stromschlag. Dieser kann - je nach Art, Stärke und gesundheitlicher Verfassung des/der Betroffenen - keine, leichte oder schwere Folgen nach sich ziehen und in Extremfällen sogar zum Tode führen. Um dies zu vermeiden, gibt es Regeln für den sicheren Umgang mit Elektrizität, die sich aus Erfahrungen und Fachmeinungen entwickelt haben. In Deutschland ist etwa per Gesetz, spezifisch im Energiewirtschaftsgesetz, festgelegt, dass alle Energieanlagen so zu errichten sind, dass sie neben den gesetzlichen Vorschriften eben auch diesen "allgemein anerkannten Regeln der Technik" genügen. In der Rechtsauslegung entspricht dies im Normalfall den veröffentlichten Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V. DIN und einiger anderer Institutionen.
Was Elektrizität angeht, werden insbesondere die Vorschriften des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik VDE damit gleichgesetzt. Diese Regeln haben selbst keinen Gesetzescharakter, werden aber im Schadensfall als Richtschnur verwendet, um Schuldfragen zu klären. Im Falle des Balkonkraftwerks sind mit der Neufassung von Richtlinien wie VDE V 0100-551-1 oder auch VDE AR-N-4105 in den letzten Jahren einige dieser Regeln angepasst worden, um diese neue Art der Erzeugung selbst genutzter erneuerbarer Energie ebenfalls einen sicheren und verlässlichen Rahmen zu geben. Allerdings fielen diese Regelungen in Teilen leider so uneindeutig aus, dass bis heute wichtige Fragen offen bleiben. Dies gilt insbesondere für die Anschlussnorm VDE V 0100-551-1. Diese legt zunächst fest, dass Erzeugungseinrichtungen - hierzu zählt das Balkonkraftwerk - nur dann an einen gemeinsam mit Verbrauchsgeräten genutzten Haushaltsstromkreis angeschlossen werden darf, wenn dies entweder über einen Festanschluss oder über eine "spezielle Energiesteckvorrichtung" geschieht. Im Folgenden gehen wir näher auf die Bedeutung dieser Vorgabe und deren Probleme ein.
Festanschluss
Beim Festanschluss ist im Grunde alles klar: Die Anschlussleitung des Kraftwerks muss fest mit der Leitung der Endstromkreises verbunden werden. Wie bei Deckenleuchten auch, kann das über eine Lüsterklemme in einem entsprechend geeigneten Aufputz- oder Unterputz-Gehäuse erfolgen. Für den Außenbereich muss hier für gewöhnlich ein nach IP44 spritzwassergeschütztes Gehäuse verwendet werden. Da nach den Festlegungen des VDE Arbeiten an elektrischen Anlagen nur von Fachpersonal durchgeführt werden dürfen, ist hierfür ein Elektriker erforderlich - auch wenn das bei Deckenleuchten meist ignoriert wird. Auch die Regelungen für das Anmeldeverfahren, welche in VDE AR-N-4105 festgelegt sind, sehen darum nur beim Anschluss über Stecker einen Verzicht auf die Unterzeichnung durch einen Elektriker vor, nicht bei einem Festanschluss. Das ist also - wenn auch realitätsfern - zumindest in sich schlüssig. In der Realität ist es aktuell schlicht unmöglich, einen Elektriker zu finden, der sich für den Anbau einer Anschlussdose und dem Verbinden von drei Litzen in sein Auto setzt. Sofern es sich also nicht um ein größeres Projekt handelt, wie etwa die Ausstattung eines ganzen Wohnblocks mit Balkonkraftwerken, dürfte der Festanschluss keine große Verbreitung finden - zumindest unter den regulär angemeldeten Kraftwerken.
Wieland-Stecker
Beim Anschluss über Stecker gibt bereits die Wortwahl "spezielle Energiesteckvorrichtung" Anlass für Unsicherheiten. Während einige die Meinung vertreten, dass das Wort "speziell" an sich bereits die Nutzung des auch für andere Haushaltsgeräte verwendeten Schutzkontakt-/Schuko-Steckers ausschließt, da dieser "gewöhnlich" sei, halten andere dagegen, dass der Schuko-Stecker im Gegenteil gerade "speziell" für die Durchleitung von Energie konstruiert ist. Die Norm selbst gibt hier keine klare Definition. Im Gegenteil verschärft sie die Unklarheiten durch uneinheitliche Begriffe. Einmal wird "spezielle Energiesteckvorrichtung" verwendet, dann wieder "spezielle Energieeinspeisesteckdose" und einmal auch "spezielle Energiesteckdose". Die einzige konkrete Anforderung der Norm an den Anschluss per Stecker ist, das die Steckdose mit der maximal zulässigen Einspeisestromstärke gekennzeichnet werden muss. Die Form der Kennzeichnung ist wiederum nicht definiert, es würde nach dieser Norm also genügen, mit einem wasserfesten Stift "max 3,48A" auf die Steckdose zu schreiben.
Die einzige Handreichung, welche die VDE V 0100-551-1 noch mit an die Hand gibt, ist ein mögliches Beispiel für eine geeignete Steckverbindung. Tatsächlich wird in der Norm nämlich hinter den Begriff der "speziellen Energiesteckvorrichtung" immer die Klammer "(z. B. nach VDE V 0628-1 (VDE V 0628-1))" eingesetzt. In der VDE V 0628-1 wiederum wird eine Steckverbindung beschrieben, welche drei wesentliche Merkmale aufweist: abgedeckte Steckkontakte, Verpolungssicherheit und Abzugsschutz. Das einzige Unternehmen, welches diesen Stecker und die dazu passenden Steckdosen aktuell baut und unter der Bezeichnung "RST20i3" in den Verkehr bringt, ist die Firma Wieland Electric aus Bamberg. Daher ist der Begriff "Wieland-Stecker" zum Synonym für diese Form der Steckverbindung geworden.
Die in der Norm selbst klar ersichtliche Tatsache, dass diese Form der Steckverbindung eben nur eines von vielen möglichen Beispielen für eine geeignete Steckverbindung zum Anschluss eines Balkonkraftwerks ist, hat die im VDE tätige Lobbygruppe der Energieversorger und Netzbetreiber "Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN)" nicht daran gehindert, irreführende Informationen herauszugeben, welche stattdessen den Wieland-Stecker als einzig mögliche Anschlusslösung für das Stecker-Kraftwerk und den Anschluss durch den Laien ohnehin als unmöglich darstellen. Leider sind daraufhin auch einige Netzbetreiber dazu übergegangen, entgegen der Vorgaben der VDE V 0100-551-1 auf ihren Anmeldeformularen ausschließlich den Wieland-Stecker einzufordern, was einen unzulässigen Markteingriff darstellt. Da es sich beim Einbau einer neuen Steckdose zudem ebenfalls um "Arbeiten an elektrischen Anlagen" handelt, wäre hierfür entsprechend der Normen wiederum ein Elektriker hinzuzuziehen, was zur selben Problematik führt, die bereits beim Festanschluss beschrieben wurde. Auch darüber hinaus bringt der Wieland-Stecker eine Reihe von Risiken mit sich, welche wir hier in aller Ausführlichkeit besprochen haben.
Schuko-Stecker
Die einzige Lösung, welche den nach VDE AR N-4105 intendierten Verzicht auf eine Elektrofachkraft und damit die echte Laienbedienbarkeit möglich macht, ist die Verwendung des Schuko-Steckers. Die relevante Frage ist nun also, unter welchen Bedingungen ein Schuko-Stecker für den sicheren Betrieb eines Balkonkraftwerks genutzt werden kann. Dabei geht es ausschließlich die Sicherheit des Nutzers.
Diese ist dann durch die Steckverbindung gewährleistet, wenn selbige sicher stellt, dass die Gefahr eines gefährlichen Stromschlags ausgeschlossen ist. Kritiker führen in diesem Zusammenhang an, dass der Schuko-Stecker keine berührungssicheren Kontakte hat. Das ist auch der Grund, warum die Schuko-Norm VDE 0620-1 explizit ausführt "Steckdosen nach dieser Norm sind nicht für Anwendungen vorgesehen, die Energie in die Installation zurückspeisen." Sofern man den Schuko-Stecker als einzelnes Bauteil betrachtet, was die ihn definierende Norm selbstverständlich tun muss, ist dies auch völlig richtig. Beim Balkonkraftwerk handelt es sich allerdings um ein Gesamtprodukt, bei dem der Stecker nur eine Komponente von vielen ist. Die Frage muss hier also lauten: Gewährleistet das Balkonkraftwerk in seiner Gesamtheit auch mit Schuko-Stecker einen ausreichenden Schutz vor elektrischem Schlag?
Die Regeln für den Schutz vor elektrischem Schlag werden in der Norm VDE 0140-1 festgelegt und lassen sich in folgendem einfachem Satz zusammenfassen: "Gefährliche aktive Teile dürfen nicht berührbar sein und berührbare leitfähige Teile dürfen nicht gefährlich aktiv sein." Dies kann über mehrere Wege sichergestellt werden. Dazu gehören z.B. die Einhaltung von Sicherheitsabständen, die Abdeckung spannungsführender Teile aber auch die Begrenzung der Spannung. So legen etwa die Regeln zur Errichtung von Niederspannungsanlagen nach VDE 0100-410 fest, dass auch bei potenziell vollen 16 Ampere Stromstärke (3.600W durch 230V) auf den Leitungen bei einem Körperschluss noch 0,2 Sekunden vergehen dürfen, bis die Schutzmaßnahmen (Sicherung) den Stromkreis unterbrechen.
Nicht ganz zufällig ist im Balkonkraftwerk ein vergleichbarer Sicherheitsmechanismus verbaut, nämlich der sogenannte Netz- und Anlagenschutz oder kurz NA-Schutz. Dieser ist nach VDE AR-N-4105 bei allen netzparallel betriebenen Wechselrichtern vorgeschrieben und sorgt dafür, dass bei zu starken Frequenz- oder Spannungsänderungen - etwa beim Ausstecken - ebenfalls nach spätestens 0,2 Sekunden die Abschaltung erfolgt. Die Ausführung des NA-Schutzes hat im Übrigen auch "einfehlersicher" zu erfolgen. D.h. wenn der Hauptmechanismus zur Abschaltung defekt sein sollte, erfolgt die Abschaltung über einen Hilfsmechanismus. Ist also der im Balkonkraftwerk verbaute Wechselrichter mit einer entsprechenden Zertifizierung nach VDE AR-N-4105 ausgestattet - was bei allen gängigen Modellen der Fall ist - so sind sämtliche ihm nachgelagerte Komponenten wie etwa der Stecker ebenso sicher wie ein nach den aktuellsten Normen ausgeführter Haushaltsstromkreis. Dies wurde auch in mehreren Selbstversuchen belegt, so etwa von den YouTubern "Der Fachwerker". "Solarteur", "Money For Future" und vielen anderen, wie auch von unserem Gründer Christian. Dass gegen die Verwendung des Schutzkontaktsteckers nichts einzuwenden ist, bestätigen mittlerweile auch VDE und Bundesnetzagentur.
Irrelevant ist übrigens die durch Kritiker immer wieder gerne aufgeworfene Frage, ob ein Schuko-Stecker nicht dazu verführt, mehrere Kraftwerke mit Leistungen von insgesamt über 600VA anzuschließen und damit die Leitungen im Haushalt zu überlasten, was im schlimmsten Fall zu einer Brandgefahr führen könnte. Dank von Wieland Electric ebenfalls angebotenen Verteilerblöcken ist nämlich auch der Mehrfachanschluss von Balkonkraftwerken mit Wieland-Stecker nicht mehr ausgeschlossen. Zudem soll die neue Produktnorm die Anbieter dazu verpflichten, einen deutlich sichtbaren Hinweis auf die Begrenzung in Anzahl und Leistung in Steckernähe am Kraftwerk anzubringen, was nach §3 (2) Produktsicherheitsgesetz dazu genügt, den vorhersehbaren Fehlgebrauch in dieser Hinsicht auszuschließen. Dann dennoch befürchteter fahrlässiger Gebrauch kann ebenso wenig durch Vorschriften und Hinweise vermieden werden wie Metallbesteck in der Mikrowelle oder Alkohol am Steuer.
Fazit
Nach aktueller Lage ist noch nicht genau durch Normen definiert, welche Formen des Anschlusses für ein Balkonkraftwerk möglich sind. Die geltenden Normen widersprechen sich teilweise selbst und untereinander. Letztlich zählt aber die technische Eignung und Sicherheit des Anschlusses. Diese ist sowohl durch einen Festanschluss als auch durch eine Steckverbindung nach VDE V 0628-1 (Wieland-Stecker) gegeben. Allerdings ist ein Schuko-Stecker ebenso geeignet, sofern er Teil eines Stecker-Kraftwerks ist, welches einen Wechselrichter mit aktueller Zertifizierung nach VDE AR-N-4105 beinhaltet.
5 Gedanken zu „Wie schließe ich mein Balkonkraftwerk an? Schuko vs. Wieland vs. Festanschluss“
Hallo, durch einen Schukostecker kann doch die Phase des Erzeugers auf den Nullleiter der Hausinstallation geschaltet werden, ist das nicht problematisch? Oder anders gefragt, kann ich selber herausbekommen, in welcher Ausrichtung ich den Schukostecker in die Steckdose stecken muss. Danke
Hallo Ben,
danke für deinen Kommentar! Auch bei “verpolungssicheren” Steckverbindern ist die Phase nicht immer von außen gekennzeichnet, daher gilt diese Frage auch dort. Zum Glück erkennen Wechselrichter selbständig, wo die Phase anliegt und speisen nur dort ein.
Die Frage von benbenetti würde ich präzisieren. Die Schukodose hat die Anschlüsse L, N und PE. An L und N liegen 230V/50 Hz, mit der die einzuspeisende Spannung sich synchronisiert, egal wie der Stecker links oder rechts gedreht eingesteckt wird. Die Frage nach der Phase L1, L2 oder L3 stellt sich hier nicht. Aber in vielen Häusern mit Baujahr vor 1973 gibt es immer noch die klassische Nullung, seit 1973 verboten, also mit L an Buchse 1 und N sowohl an Buchse 2 als auch an den Schutzkontaktfedern aussen. (PEN). Zweiadrig bis zur Steckdose und mit einer Brücke von N (blau) zum Schutzkontakt PE (grün-gelb) in der Steckdose. Wer dort also L (bei benbenetti Phase genannt) und den Schutzkontakt sowie alle angeschlossenen Gehäuse berührt, bekommt eine gewischt. Und das bleibt so, egal ob der Schukostecker des Balkonkraftwerks links- oder rechtsrum, Stecker 1 an Buchse L oder Buchse N eingesteckt wird. Daher immer wenn möglich die uralte zweiadrige Verteilung in Haus oder Wohung ersetzen. Was nichts mit den Balkonkraftwerken zu tun hat.
Dem kann man nur zustimmen.