Vorwarnung: Aus gegebenem Anlass schauen wir heute einmal etwas über den Balkonkraftwerk-Tellerrand hinaus. Aber wer durchhält, wird belohnt, denn am Ende des Artikels finden wir wieder dahin zurück.
Gute Nachrichten! Dank deutlich über 50% Anteil erneuerbarer Energie im Netz ist der Strom in 2024 – dem ersten Jahr ganz ohne Kernkraft – insgesamt günstiger geworden (Börsenstrompreis im Schnitt 15% niedriger als 2023)!
Damit könnte die Meldung enden und man könnte das Thema hinter sich lassen – wenn nicht gerade Wahlkampf wäre. Weil aber Wahlkampf ist, und weil Robert Habeck laut aktuellen Umfragewerten nicht nur insgesamt in der Wählergunst auf Friedrich Merz aufrückt sondern sogar satte 10% der CDU/CSU-Wähler lieber den Lübecker Philosophen als den Black Rock-Juristen aus dem Sauerland im Kanzleramt sehen würden, geht das eben nicht. Stattdessen ist seit einigen Tagen ein alter Kampfbegriff der Energiewendegegner in aller Munde: Die “Dunkelflaute” ist zurück!
Ja, aktuell scheint die Sonne wenig (Winter) und für ein paar Stunden weht immer wieder auch mal der Wind etwas weniger. Das ändert aber an der Stabilität des Netzes nichts, denn das ist europäisch und in Europa stützt man sich gegenseitig. Dies hinderte aber Kritiker nicht, bereits vor Jahren, als der Anteil an Strom aus Sonnen-, Windenergie und Biomasse noch einstellig war, mit der “Dunkelflaute” zugleich das Ende der Energiesicherheit in Deutschland heraufzubeschwören. Gemeinsam mit dem “grünen Flatterstrom” ist die “Dunkelflaute” (mit vollem Namen “kalte Dunkelflaute” wegen des vorausgesagten Ausfalls an Heizungen) dort bis heute als schnelles Mittel zur Beendigung von Diskussionen beliebt. Jeder versteht, was gemeint ist, und alles, was das Gegenüber danach hinter einem “Aber…” noch vorbringt, muss so differenziert ausfallen, dass ihm jegliche Wucht fehlt und es schlicht nicht mehr gehört wird. Zeit also, über eigenen Gegenbegriff nachzudenken. Wie wärs mit “Fossilgier”? Das beschreibt nämlich ganz gut, was in der vergangenen Woche wirklich zu Engpässen in der Energieversorgung Deutschlands geführt hat. Aber zunächst die Details:
Dank winterlicher Sonnenarmut und gleichzeitigem Hochdruckgebiet mit wenig Wind kommt es tatsächlich immer mal wieder dazu, dass Deutschland für ein paar Stunden seinen eigenen Strombedarf in größerem Umfang nicht decken kann. Wir hatten bereits in der letzten Ausgabe des Newsletters von einer solchen Situation am 6. November berichtet. Auch in der vergangenen Woche gab es einen solchen Zeitraum:
In dieser Grafik der Bundesnetzagentur ist die Diskrepanz zwischen Erzeugung (bunte Flächen) und Bedarf (rote Linie) gut zu sehen. Der Rückgang der Erzeugung aus Windenergie (dunkelblaue Fläche) ist dafür mit verantwortlich. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wie mehrere Medien berichteten, war in der letzten Woche eher die besagte “Fossilgier” der entscheidende Faktor für diese Diskrepanz. Denn eigentlich ist ein solcher Fall, also der vorübergehende Rückgang von Wind- und Sonnenenergie, für die aktuelle Ausbausituation der erneuerbaren Energien durchaus einkalkuliert.
Die Verträge mit den fossilen Energiekonzernen sehen dann vor, dass diese ihre Produktion kurzfristig hochfahren, um die Lücke zu schließen. Da die zu bereitstellenden Strommengen immer am Vortag vereinbart werden (dank guter Wettervorhersage geht das meist ganz gut), hätten diese also die Lieferung der fehlenden Energie zusagen müssen. Dies sei aber, so diverse Medien unter Berufung auf Aussagen der Bundesnetzagentur, nicht passiert. Auch die Bundesnetzagentur selbst spricht hier von “marktmissbräuchlichem Verhalten” und offenbar ermittelt auch das Kartellamt, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Ein Blick auf den Verlauf der Energiebilanz der letzten drei Jahre bestärkt diesen Verdacht:
Zeitlich stehen das Abschalten der letzten Atommeiler in 2023 und der Wechsel Deutschlands von einem Energie-Exportland zu einem Energie-Importland im Zusammenhang. Aber bei genauerem Blick genügt die Atomenergie (schmale rotbraune Fläche bis Mai 2023) nicht im Ansatz dazu, die Lücken – insbesondere in den Sommermonaten – zu erklären. Vielmehr fällt eklatant auf, dass Braunkohle-, Steinkohle- und Gas-Kraftwerke (braune, schwarze und hellgraue Flächen) zwar zu Zeiten geringerer PV-Produktion (gelbe Fläche) etwas zulegen, aber bei ausbleibendem Wind (dunkelblaue Fläche) z.T. sogar noch weiter reduzieren!
Unabhängig davon, ob dies auf einen Fehler im Strommarktdesign oder auf absichtliche Marktmanipulation zurückgeht: Diese Verknappung der Energie führte in der vergangenen Woche zu einem extremen Anstieg der Preise an der Strombörse auf bis zu 1.000 Euro pro Megawattstunde (=1€/kWh). Das ist im Übrigen kein Einzelfall, weder in den Jahren zuvor, noch in diesem Jahr. Das zeigt für 2024 z.B. diese Grafik von energy-charts.info (Strompreis=orange/rote Kurve, erneuerbare Energie=grün, übrige Energiequellen=Grau):
Hinweis: Es geht um die Spitze ganz rechts. Die dreimal so hohe Spitze in der Mitte ging offenbar auf einen technischer Fehler bei der Strombörse zurück, über den allerdings kaum berichtet wurde – trotz gleichartiger Auswirkungen für Verbraucher.
Da die fossilen Energiekonzerne in diesen kurzen Zeiträumen zwar viel zu wenig, aber noch immer einen sehr großen Anteil der benötigten Energie lieferten, konnten sie so enormen Profit aus diesem ggf. selbst erzeugten Engpass schlagen. Zudem musste die Lücke dann für entsprechend hohe Kosten mit Strom aus dem Umland geschlossen werden. Die Leidtragenden sind die Verbraucher, denn ohne diese nicht notwendigen Preissprünge wären die Verbraucherstrompreise in 2024 sogar noch günstiger gewesen.
Schaut man sich die Grafiken der Energieerzeugung einmal als Ausblick auf die Zukunft an, dann erkennt man schnell, dass ein vollständiger Ausbau von erneuerbaren Energien, insbesondere die sich gut ergänzenden Solar- und Windenergien in Kombination mit schnell verfügbaren Reserven für vereinzelte Engpässe wie Batteriespeichern und Gaskraftwerken (die dereinst auch mit Energie aus Überschusszeiten erzeugten Wasserstoff verstromen können), einen absolut gangbaren Weg darstellt. Doch es wird nicht genügen, sich dabie auf das Interesse an Problemlösungen durch die Politik zu verlassen. Die bisherige Opposition im Bundestag jedenfalls scheint kein entsprechendes Interesse zu haben. Sie verweigert stattdessen bei den letzten Gesetzesvorlagen der scheidenden Regierung in dieser Richtung die Zusammenarbeit und hinterlässt damit Verunsicherung. Es wird daher auch weiterhin an den Bürgern selbst sein, hier für eine nach vorn gewandte Politik einzutreten. Wir sind dazu bereit!
Wir hatten ja bereits davon berichtet, dass wir mit einer neuen Petition beim Bundestag für den maximalen Bürokratieabbau für Steckerspeicher und Heimspeicher eintreten. Dies sorgt dafür, dass deren Potenzial zur Stützung des Netzes gehoben und ihre Nutzer für diesen Dienst an der Allgemeinheit gerecht belohnt werden. Zudem arbeiten wir im Rahmen des neu gegründeten Bundesverband Steckersolar e.V., zu dessen Vorsitzenden unser Gründer Christian und Simone Herpich (u.a. Vorsitzende des Balkon.Solar Vereins aus Freiburg) gewählt wurden, bereits aktiv an mehreren Projekten zu diesem Zweck mit. Dazu gehören etwa
- die Mitarbeit an einem neuen Normungsvorhaben für sichere Stecker-Speicher in der Deutschen Kommission Elektrotechnik,
- die Ausrichtung einer internationalen Konferenz zur Etablierung von Steckersolargeräten und Steckerspeichern in Europa und insbesondere
- die Stärkung der heimischen Innovatoren der Balkonkraftwerk- und Steckerspeicher-Branche durch eine starke Haltung für faire Marktentwicklung und Bürokratieabbau.
Diese vielen Arbeiten für eine sichere und endlich auch für die Bürger lohnende Energiewende sind enorm aufwändig und wir verzichten mit Absicht auf Förderungen aus Stiftungen o.ä., um weiterhin unabhängig zu bleiben. Daher sind wir vollständig auf die Unterstüzung durch unsere Community angewiesen.
Wenn du unseren Einsatz für eine demokratische Energiewende gut findest und dafür sorgen möchtest, dass er auch im nächsten Jahr weitergehen kann, dann unterstütze uns! Trage dich jetzt für einen dauerhaften oder einmaligen freiwilligen Beitrag ein und hilf mit, die Energiewelt von morgen in die Hände der Bürger zu legen!