Überbelegung ist sinnvoll. Module mit höherer Spitzenleistung zu installieren als der Wechselrichter durchlässt, bedeutet einen ökonomischen Vorteil. Die Zeiten, in denen die Spitzen tatsächlich durch den Wechselrichter gekappt werden, sind nämlich recht selten. An weniger sonnigen Tagen, bei trübem Herbstwetter oder in der Morgen- und Abendsonne ist man über die zusätzlichen Wattpeak froh. Aber auch die Überbelegung hat ihre Grenzen. Moderne 800 W-Wechselrichter für das Balkonkraftwerk vertragen z.T. bereits mehr als 1 kWp, aber darüber ist meist Schluss. Spätestens wenn man die Herdplatte anschmeißt, genügt das nicht mehr, um den eigenen Energiebedarf zu decken.
Da wundert es nicht, dass einige sich nicht mit der 800 W-Grenze beim Wechselrichter abfinden möchten. Auch dass es Anbieter gibt, welche jenseits der Normen gerne den Bedarf nach mehr Leistung bedienen, ist da keine Überraschung. Und das ist auch nicht grundsätzlich verkehrt. Die 800 W-Grenze soll ja alle Nutzer schützen und orientiert sich daher an der schlechtest möglichen Installation. Wer aber eine moderne, normkonforme Hauselektrik hat, der hätte prinzipiell ganz andere Möglichkeiten der Direkteinspeisung. Grundsätzlich sind die Leitungen ja auf 3,6 kW Dauerbelastung ausgelegt. In welche Richtung die Energie dabei fließt, ist für das Kupfer unerheblich.
Wie wäre aber zu erreichen, dass man dieses Potenzial ausnutzt und dennoch eine Nutzbarkeit durch Laien beibehält? Wie wäre es einzurichten, dass das eigene Kraftwerk von selbst erkennt, wenn die Belastbarkeitsgrenzen des jeweiligen Einspeisestromkreises erreicht werden und dann z.B. automatisch abregelt? Genau an einer solchen Lösung arbeiten schon seit einiger Zeit findige Techniker aus unterschiedlichen Unternehmen, und wie es aussieht, befindet man sich dabei aktuell auf der Zielgeraden.
So berichteten wir etwa bereits im Jahr 2018 von den Plänen des Berliner Startups Indielux, ein entsprechendes Gerät unter der Bezeichnung “ready2plugin” zu entwickeln. Dessen Gründer Markus Vietzke ist bereits seit Jahren im Balkonsolarmarkt aktiv und hat sich auch in der Normungsarbeit hierzu bereits große Verdienste erworben. Bis zu 3.600 Watt Wechselstrom (2 kW auf einer plus jeweils 800 W auf den beiden anderen Phasen) sollen dank seines “Eispeisewächters” per Stecker angeschlossen werden können. Das Gerät reguliert den Energiefluss und hält die Leitungsbelastung unterhalb kritischer Größen. Hierfür wurde das Unternehmen 2018 mit dem Smarter E Award ausgezeichnet.
Vergangene Woche wurde das erste System, das auf der Ready2Plugin aufbaut, von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie nach deren eigenem Sicherheitsstandard zertifiziert. Es handelt sich um das “ready2use QUATRO Smart-Kit”. Dieses besteht aus vier PV-Modulen mit jeweils 410 Wp und mit einer Wechselrichterleistung von 1.500 Watt. Eine VDE-Zertifizierung der Technologie steht noch aus.
Ebenfalls auf einen guten Weg befindet sich das Unternehmen Wattando aus Dresden, welches mit “Wattster” vergleichbare Technologie anbieten möchte. Hier sind die Komponenten etwas umfassender. Zum Paket zählt neben der Wattster-Box, welche die Regelungstechnik beinhaltet, auch ein eigener, selbst durch das System abregelbarer Wechselrichter sowie ein Stromsensor, welcher am Stromzähler angebracht wird und den Verbrauch auf allen Phasen misst. Hierzu ist ggf. ein Elektriker erforderlich. Dafür bekommt man neben einer Steckdosen-Einspeisung von bis zu 3,6 kW aber auch spannende Zusatzfunktionen wie Nulleinspeisung und – im Falle einer angeschlossenen Batterie – “Peak Shaving”, also die Reduzierung von Leistungsspitzen, was im zukünftigen Stromnetz handfeste finanzielle Vorteile bieten kann. Ein regelrechtes Energiemanagementsystem also. Zudem sollen so auch größere Varianten von bis zu sagenhaften 70 kW (!) möglich werden. Die erste Instalation hat Wattando bereits verwirklicht: Ein Balkonkraftwerk mit 2,46 kWp ist gerade in Hessen in Betrieb gegangen. Es ist allerdings noch als reguläre Einspeiseanlage angemeldet, da der regulatorische Rahmen für diese neue Technolgie noch aussteht.
Diese spannende Entwicklung stellt die Gesetzgebung und die Normenwerke erneut vor Herausforderungen. Man darf also erwarten, dass auch hier – wie schon beim Balkonkraftwerk an sich – einige Jahre vergehen werden, bis der regulatorische Rahmen auf den Stand der Technik nachrückt. Bis dahin wird es wohl wieder an den Pionieren sein, die Machbarkeit unter Beweis zu stellen.