Eine Million offiziell registrierte und etwa 4 Millionen real installierte Balkonkraftwerke sind eine gewaltige Menge. Aber das ist noch immer nur ein Bruchteil dessen, was möglich wäre. Rund drei Viertel der Geräte werden aktuellen Studien zufolge an Einfamilienhäusern betrieben. Das volle Potenzial des Balkonkraftwerks ist aber erst dann ausgeschöpft, wenn auch Mieter und Wohnungseigentümer die Technologie in der Masse nutzen können. Diese haben zwar dank der Privilegierung von Steckersolargeräten in Miet- und Wohneigentumsrecht seit letztem Herbst grundsätzlich das Recht dazu, ein kleines Kraftpaket in ihrem Haushalt in Betrieb zu nehmen, die Realität sieht aber häufig anders aus.
Das hängt unter anderem damit zusammen, dass das damalige Justizministerium, welches für die Privilegierung verantwortlich zeichnete, unserer deutlichen Aufforderung zur Veröffentlichung einer Auslegungshilfe nicht nachgekommen ist. Die Folge: Rechtsunsicherheit. Die Mieter und Eigentümer wissen nicht, welche Rechte sie genau haben und Vermieter und Eigentümergemeinschaften bzw. deren Hausverwaltungen nutzen diese Unsicherheit mitunter, um Forderungskataloge aufzustellen, die Balkonkraftwerke de facto verhindern.
Das neueste Beispiel dieser Art kommt von Haus & Grund, dem “Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer”, mit einer knappen Million Mitgliedern. In einem kostenpflichtigen. über 90 Seiten langen Leitfaden breitet der Verband die Regeln rund ums Balkonkraftwerk im Mehrfamilienhaus in seiner eigenen Lesart aus.
Zitat vom Klappentext:
“Die der politischen Stimmung dienende Rechtsänderung führt […] zu einer erheblichen Verschiebung des Verständnisses des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Mieter. Der gesetzliche Tatbestand wird auf die Installation von Stecker-Solaranlagen erweitert und erlaubt dem Mieter die bauliche Veränderung der Mietsache zum Zwecke der Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils. Dieser Umstand überschreitet den bisherigen Begriff des „Wohnens“. Die Erlaubniserteilung zur Verwendung eines Balkonkraftwerkes erfordert eine intensive Abwägung der Interessen des Vermieters, des Mieters, der übrigen Nutzer der Immobilie, der Nachbarn und allen anderen, die mit der Immobilie in Kontakt kommen. Die mit der Erlaubnis verbundene Vereinbarung zur Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit der Mietsache durch den Mieter muss kritisch und weitsichtig überlegt sein und erfordert eine umfassende Information des Eigentümers.“
Wer ein Balkonkraftwerk betreibt, der “wohnt” Haus & Grund zufolge also nicht mehr sondern verändert die Mietsasche aus wirtschaftlichen Gründen, was unbedingt kritisch gesehen werden müsse. Das lässt bereits auf einen nicht besonders Balkonkraftwerk-freundlichen Inhalt schließen, was sich beim Lesen des Leitfadens bestätigt. Nach diesem sollen Vermieter etwa in jedem Fall die Prüfung der statischen Eignung des Balkons, der Eignung der Elektrischen Anlage der Wohnung fordern sowie den Einbau eines DC-Trennschalters, damit die Feuerwehr bei Löscharbeiten die Module vom Wechselrichter trennen kann. Allein der letzte Punkt zeugt vom mangelnden Sachverstand. Bei Balkonkraftwerken sind die Module im Normalfall parallel geschaltet, weshalb die DC-Spannung nie über die ungefährliche Schutzkleinspannung hinaus geht und Menschen daher nicht gefährdet sind.
Abstrus wird es auch bei der Forderung, dass der Mieter den “Wirkungsgrad” des Balkonkraftwerks nachzuweisen habe. Gemeint ist damit, ob das Gesamtsystem nach Zusammenstellung, Ausrichtung und Verschattungsprognose ausreichend wirtschaftlich läuft. Dabei geht es aber nicht darum, dem Mieter eine Empfehlung zu geben, vielmehr meint Haus & Grund hier, “Das Interesse des Mieters kann bei einem nicht optimalen Wirkungsgrad nicht so gewichtig sein wie bei einer vollumfänglichen Ausschöpfung.” Bei der Interessensabwägung etwa mit skeptischen Nachbarn wäre das Interesse des Balkonkraftwerk-Nutzers dann also womöglich weniger wichtig. Es wird somit ein weiterer möglicher Grund konstruiert, das Balkonkraftwerk entgegen des Geistes der Gesetzgebung abzulehnen.
Diese Grundintention setzt sich auch im Bereich Versicherungsfragen, beim Thema Rückbau und an vielen anderen Punkten im Dokument fort. Überhaupt lässt der Leitfaden nicht viel Gutes am Gesetzestext. Formulierungen wie “unzutreffend“, “keine Verbesserung der Rechtsstellung” oder “Insofern stellt sich die Frage, welchen nachhaltigen Nutzen die Neuregelung im BGB überhaupt erreichen soll” lassen an der Skepsis, mit dem Haus & Grund dem “Recht zum Balkonkraftwerk” begegnet, keine Zweifel. Das mag verwundern, denn noch im letzten Herbst hieß es von Haus & Grund in Bayern, dass insbesondere Eigentümergemeinschaften Balkonkraftwerke lieber gleich erlauben sollen, denn das müssten sie am Ende eh. Dass dies auch für Vermieter gilt, zeigt bereits eine Anzahl an Gerichtsverhandlungen, bei denen die Vermieter ihre Forderungen zurückziehen mussten.
Dennoch: Haus & Grund hat viel Einfluss und dieser Leitfaden wird viele Vermieter dazu bringen oder darin bestärken, umfassende und überzogene Forderungskataloge aufzustellen, welche Balkonkraftwerke aktiv verhindern. Wir möchten dies natürlich nicht einfach hinnehmen. Daher werden wir zeitnah auf Haus & Grund und weitere Verbände zugehen, um Nachbesserungen einzufordern. So haben wir etwa bereits in dieser Woche einen Termin beim GdW, dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, um dort eine Balkonsolar-freundlichere Politik einzuläuten.
Wir sind überzeugt, dass sich diese Arbeit lohnt, denn sie macht es endlich auch Mietern möglich, Balkonkraftwerke in der Breite zu nutzen. Jedoch bekommen wir kein Geld dafür und sind daher auf Unterstützung durch dich angewiesen. Bitte hilf uns mit einem freiwilligen Beitrag dabei, unsere Arbeit für die Energiewende in Bürgerhand fortzuführen.
Balkonsolar-Verhinderung in der Wohnungswirtschaft
