Helfen oder überhelfen?
Wer mit der Stecker-Photovoltaik anfangen möchte, hat vor allen Dingen eines: jede Menge Fragen. Auch wenn das Werbeversprechen "kaufen, einstecken, lossparen" dank der Entwicklungen der letzten Jahre immer mehr der Realität entspricht, bleiben doch noch immer eine ganze Reihe an Punkten zu klären, wenn man sich auf den Weg zur eigenen Stromversorgung mit einem Balkonkraftwerk begibt. Welche Leistung brauche ich? Was muss ich bei der Anmeldung beachten? Darf mein Zähler rückwärts laufen? Unser Blog gibt umfassende Antworten zu all diesen Punkten. Aber was ist mit den hunderttausenden Interessenten, welche sich direkt vertrauensvoll an die Anbieter von Steckersolargeräten wenden, um Antworten auf diese und weitere Fragen zu erhalten? Erhalten sie schnelle, verlässliche und nachhaltige Auskunft, um das eigene Projekt verwirklichen zu können?
Um bessere Orientierung bei dieser Frage zu ermöglchen, haben wir die Kundenberatung bei sechs der führenden Unternehmen im Balkonsolar-Markt getestet und stellen dir im Folgenden die Ergebnisse vor.
Disclaimer: Die hier vorgestellten Ergebnisse sind eine Momentaufnahme aus dem November 2023. Es sind Folgebefragungen in unregelmäßigen Abständen vorgesehen, um die Ergebnisse aktuell zu halten und die Entwicklung in der Beratungsqualität nachzuverfolgen. Die Ergebnisse hängen zudem von der Kompetenz des jeweiligen Ansprechpartners ab, welche zwar als Indiz auf die Gesamtqualität der Kundenberatung der einzelnen Unternehmen zu werten ist, diese aber nicht vollständig abbildet. Wir arbeiten mit mehreren der getesteten Unternehmen auf verschiedene Arten zusammen und haben für die Durchführung des Tests auch eine Aufwandsentschädigung von dort erhalten. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die gestellten Fragen, die Durchführung des Tests, das Bewertungsraster oder die Ergebnisse. Sämtliche Ergebnisse werden im Folgenden im Detail und vollständig transparent veröffentlicht, um dies zu belegen. Der Test dient dazu, allgemeine Kriterien für eine gelungene Kundenberatung aufzustellen. Eine Verfälschung der Ergebnisse hätte daher negative Effekte auf den gesamten Markt, was unserem Kernziel widerspräche: der vollständigen Durchsetzung der Energiewende von unten durch das Balkonkraftwerk.
Ergebnisse
 |  |  |  |  |  |
|---|---|---|---|---|---|
| Yuma | Alpha Solar | Priwatt | Bauhaus | Greenakku | Netto |
| 13/18 Pkt. | 12/18 Pkt. | 12/18 Pkt. | 5/18 Pkt. | 0/18 Pkt. | 0/18 Pkt. |
| Note: GUT | Note: GUT | Note: GUT | Note: MANGELHAFT | Note: UNGENÜGEND | Note: UNGENÜGEND |
Alllgemeines Testdesign
Um Vergleichbarkeit bei der Kundenberatung verschiedener Unternehmen herzustellen, haben wir vorab einen Themenkatalog mit einem eindeutigen Bewertungsraster erstellt. Die darin behandelten Fragestellungen sind in drei Kategorien - Auswahl, Produktkenntnis und Rahmenbedingungen - unterteilt und orientieren sich an den realen Fragen, welche auch uns in der Beratung immer wieder begegnen. Sie sind unterschiedlich gewichtet, um richtige und ehrliche Antworten bei besonders gravierenden oder heiklen Themen hervorzuheben. Die Fragestellungen werden von unseren darauf geschulten Mitarbeitern unter Pseudonymen und telefonisch durchgeführt. Zudem fließen Erreichbarkeitsfaktoren in die Ergebnisse ein.
Die Kriterien im Detail
Auswahl
Hier wird sondiert, wie hilfreich die Beratung bei der Wahl des für den Interessenten geeignetsten Kraftwerks ist. Dabei spielen die Geräteleistung sowie der Montageort eine zentrale Rolle. Von den insgesamt sieben möglichen Punkten fällt einer auf die Abfrage des Gesamtverbrauchs. Maximal drei werden auf die Nennung weiterer Kriterien wie Verbrauchszeiten, das Vorhandensein von Starkverbrauchern sowie weichere Kriterien wie Alter und Beruf vergeben. Weitere maximal drei Punkte sind für die Abfrage von Montagebedingungen wie Ausrichtung, Anbringungshöhe, Möglichkeiten zur Anwinkelung und Verschattungsquellen vorgesehen.
Produktkenntnis
In diesem Bereich geht es in erster Linie um eine kompetente Beratung zu den technischen Komponenten. Von den insgesamt sechs zu vergebenden Punkten fallen maximal zwei auf die Kenntnisse zur Wirkung von Schatten/Schwachlicht. Dabei werden Angaben zu unterschiedlichen Schattenarten, der Schattendauer, dem Verhalten unterschiedlicher Modularten und konkrete Prozentangaben gezählt. Die Herkunft der Komponenten ist für viele Nutzer eine Kernfrage. Daher wird eine ehrliche Antwort auf diese Frage mit zwei Punkten gewertet. Weitere maximal zwei Punkte sind der Sicherheit/Qualität von Wechselrichtern gewidmet. Dabei wurden die Kenntnis vom Skandal um fehlende Relais, mögliche EMV-Probleme und die Involvierung der Bundesnetzagentur gewertet.
Rahmenbedingungen
Hier geht es um die Kenntnis der relevanten Gesetze und Normen rund um das Balkonkraftwerk. Von den insgesamt sieben zu erreichenden Punkten fallen vier auf den Anschluss. Maximal zwei davon werden für die Nennung der geltenden und kommenden Normvorschriften sowie der Haltung von BNetzA und VDE zum Schuko-Stecker vergeben. Weitere zwei gibt es für die ehrliche Aussage, dass es hierzu aktuell noch keine gültige schriftliche Festlegung in den Normen gibt. Mit der korrekten Beschreibung der aktuellen Anmelde-/Genehmigungspflichten bei Netzbetreiber/MaStR und Vermieter sind maximal zwei Punkte zu ergattern.
Zwei Bonuspunkte werden für die korrekte Beantwortung der Frage vergeben, ob ab nächstem Jahr die Zähler rückwärts laufen dürfen. Da die Frage etwas tückisch ist, genügt hier die Nennung des noch offenen parlamentarischen Prozesses, aber natürlich auch die klare Aussage, dass in der aktuellen Gesetzesvorlage nur das vorübergehende Rückwärtslaufen bis zum Zählertausch zugelassen werden soll.
Erreichbarkeit (erhoben aber nicht in die Endbewertung übernommen, da zu geringe Datenbasis):
Hierunter werden einerseits die tatsächliche telefonische Erreichbarkeit und Dauer bis zum Beraterkontakt zu unterschiedlichen Zeiten (Wochentags am Vormittag und Freitagnachmittag) mit insgesamt maximal zwei Punkten bewertet, andererseits die Länge der Klickwege bis zur Kundenhotline-Nummer sowie bis zum Kontaktformular mit insgesamt ebenfalls maximal zwei Punkten.
Die Einzelergebnisse findest du in der Bewertungstabelle.
Auswertung
Der Umgang mit Anrufen potenzieller Kunden unterschied sich bei den getesteten Unternehmen sehr deutlich. Während bei Alpha Solar, Priwatt und Yuma nicht nur sehr freundliche und geduldige, sondern auch in weiten Teilen äußerst kompetente Mitarbeiter*innen zur Verfügung standen, war dies bei den übrigen Unternehmen nicht immer der Fall.
Bei Netto etwa wurde bereits nach wenigen Fragen, auf welche keine oder nur sehr unzureichende Antworten gegeben werden konnten, der Anruf bei den Herstellern der über den Discounter vertriebenen Kraftwerke empfohlen, verbunden mit dem Hinweis, dass man sich das Modell am Ende nach der Erreichbarkeit des Herstellers aussuchen solle.
Bei GreenAkku war es leider ähnlich. Die Kontaktperson ließ bereits nach der ersten inhaltlichen Frage lediglich ein Vorgehen zu: Eine schriftliche Anfrage an die info@ Mailadresse, auf die sich dann nach einer unbestimmten Frist ein Mitarbeiter aus der Technik melden wolle. Hier konnten wir daher keine Punkte vergeben.
Bei Bauhaus fand durchaus eine Beratung statt, allerdings leider mit einer ganzen Reihe an Fehlinformationen, von der Aussage, dass ab dem vierten Obergeschoss keine Glasmodule verwendet werden dürfen (das galt in Wahrheit ab 4m und wurde im Herbst 2023 abgeschafft) über die Auskunft, dass eine Anmeldung bei rücklaufgesperrtem Zähler nicht notwendig sei (Nichtanmeldung beim Marktstammdatenregister ist und bleibt gesetzliche Pflicht) bis zur Behauptung, dass Verschattung generell 30-40% Verlust bringen könne (Pauschalaussagen sind hier natürlich nicht möglich, da Art von Schatten und Modul große Unterschiede machen können).
Bei den Fachhändlern schlichen sich nur vereinzelte Unsauberkeiten ein. Alpha Solar empfahl schon ab 2.000kWh Jahresverbrauch ein Kraftwerk mit über 800W-Modulleistung und meinte, dass Stromzähler ab 2024 dauerhaft rückwärts laufen dürfen, Priwatt wusste nicht, dass die 4m-Grenze für Glasmodule bereits gefallen ist und Yuma verwechselte monokristalline mit Hotspot-Free Modulen und behauptete, dass ein Rückwärtslaufen des Zählers innerhalb einer Messungenauigkeitstoleranz von einigen Prozent des Gesamtverbrauchs zulässig sei. Ein zugegebenermaßen weit verbreiteter Irrglaube. Abgesehen hiervon waren die drei Fachunternehmen aber erstaunlich dicht beieinander und schlossen am Ende mit fast gleicher Punktzahl und weitem Abstand auf das restliche Feld ab. Yuma erreichte dabei, vor allem dank beispielhaftem Kenntnisstand in Hinsicht auf die kommende Gesetzgebung, die höchste Punktzahl.
Fazit
Unsere Testergebnisse illustrieren deutlich, wie heterogen die Qualität in der Kundenberatung zum Balkonkraftwerk ist. Dabei fällt besonders ins Auge, wie stark der Unterschied zwischen seriösen Fachunternehmen und den reinen Absatzunternehmen mit wesentlich breiterem Produktspektrum ist. Auch wenn dieser Unterschied bereits erwartbar war, ist seine Deutlichkeit ein klares Signal in den Markt: Aktuell tragen die Fachunternehmen den Beratungsaufwand für Discounter und Baumärkte mit. Das darf kein Dauerzustand sein, denn die Kosten für hochwertige Beratung (Aus- und Fortbildungskosten, Personaldecke für dauerhafte Erreichbarkeit, effiziente Telefon- und Mailsysteme etc.) sind hoch und könnten auf Dauer als Marktnachteil verstanden und abgebaut werden. Die Interessenten wären sich dann in weiten Teilen selbst überlassen. Dies sorgt für Unzufriedenheit und ggf. sogar für Fehlgebrauch und Schäden, welche die Gesamtentwicklung hemmen oder gar aufhalten können.