Der Erfolg der Förderung von erneuerbarer Energie in Deutschland ist unübersehbar. Mit dem im Jahr 2000 beschlossenen Erneuerbare Energien Gesetz EEG wurde eine Systematik entwickelt, welche private Investitionen in klimaneutrale Technologien planungssicher machte, so deren starkes Wachstum ermöglichte und damit wiederum deren Preis enorm senkte. Photovoltaik und Windenergie sind günstigsten Energieformen geworden. Folglich: Mission erfüllt und weg mit der Förderung?
So war zumindest die Vermutung von Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche. Um diese belegen zu können, hatte sie den Monitoringbericht “Energiewende Effizient Machen” beim “Energiewirtschaftlichen Institut” (EWI) an der Universität Köln und der Beratungsagentur “Beratung für die Transformation der Energiewirtschaft” (BET) beauftragt. Diese 250 Seiten starke “Meta-Studie”, also Übersicht und Einordnung bisheriger Energiewende-Studien, wurde vergangenen Montag veröffentlicht.
Noch am selben Tag veröffentlichte wiederum das Wirtschaftsministerium einen 10-Punkte-Plan, welcher bereits Maßnahmen vorsieht, um die Erkenntnisse der Studie in Veränderungen an der Energiegesetzgebung umzusetzen. Das lässt vermuten, dass eher wenig Zeit auf das tatsächliche Durcharbeiten des extrem dichten Monitoringberichts aufgewendet wurde. Folgerichtig zeugt der Plan auch von einer eher oberflächlichen Lektüre. Hier die zehn Punkte in der Übersicht:
- Ehrliche Bedarfsermittlung und Planungsrealismus
- Erneuerbare Energien markt- und systemdienlich fördern
- Netze, Erneuerbare Energien und dezentrale Flexibilität synchron ausbauen
- Technologieoffenen Kapazitätsmarkt schnell implementieren
- Flexibilität und Digitalisierung des Stromsystems voranbringen
- Einheitliche und liquide Energiemärkte erhalten und ausbauen
- Förderregime überprüfen, Subventionen systematisch senken
- Forschung zukunftsgerichtet vorantreiben, Innovationen fördern
- Wasserstoff-Hochlauf pragmatisch fördern, überkomplexe Vorgaben abbauen
- CCS/CCU als Klimaschutztechnologie etablieren
Der Großteil liest sich schwammig und unkonkret. Dahinter steckt aber immer eine klare Aussage – zu Ungunsten der erneuerbaren Energien. Hier mal die Übersetzung:
- Aufgrund von Deindustrialisierung und Verlagerung von Produktionsschritten ins Ausland braucht Deutschland in Zukunft weniger Strom als gedacht, daher kann der Zubau erneuerbarer Energien verlangsamt werden. Das Ausland muss die so exportierten (globalen) Probleme dann eben ohne uns lösen.
- Die Förderung für Erneuerbare Energien wird insgesamt heruntergefahren, besonders da, wo die Erzeuger ihre Energie nicht schon von selbst unter Wert verkaufen.
- Die Netzbetreiber hängen mit dem Netzausbau und den Genehmigungsverfahren hinterher, daher müssen PV- und Windanlagen langsamer gebaut werden.
- Fossile und nukleare Energieträger sind gleichwertig mit erneuerbaren Energien, sofern sie bei Engpässen verfügbar sind.
- Alle Haushalte brauchen schnell Smart Meter, damit mehr private PV-Anlagen abgeregelt werden können.
- Die Energiekonzerne brauchen mehr Geld. (Die Struktur der Energiemärkte wird im Monitoring-Bericht übrigens nicht besprochen. Dieser Punkt kommt also direkt aus dem Ministerium selbst.)
- Die EEG-Vergütung muss weg. Gerne sofort und ersatzlos. Direkt umsetzbare Pläne für eine Reform der Direktvermarktung, welche insbesondere kleine PV-Anlagen dennoch in der Breite halbwegs wirtschaftlich halten könnte, gibt es erstmal nicht.
- Fossile und nukleare Energieträger sind förderfähig.
- In Zukunft ist egal, ob Wasserstoff mit Überschüssen aus erneuerbaren Energien erzeugt wird oder mit Kohlestrom hergestellt oder aus Erdgas gewonnen wird.
- Es ist klar, dass wir so alle Klimaziele reißen werden, daher werfen wir die Blendgranate “Kohlenstoff aus der Luft absaugen und dann irgendwo vergraben” in den Raum – eine Technologie, die weder marktreif noch skalierbar noch aktuell sinnvoll ist – und behaupten einfach, das Problem sei gelöst.
Um diesem energiewirtschaftlichen Offenbarungseid der aktuellen Bundesregierung etwas entgegen zu setzen, haben wir im Rahmen des Bundesverband Steckersolar begonnen, eine breite Phalanx der Bürgerenergie-Befürworter ins Leben zu rufen. Wir werden dabei einen eigenen 11-Punkte-Plan als Rahmen vorstellen. Er ist in unserer Muttersprache verfasst: Klartext.
- 150% Erneuerbare ohne wenn und aber
Das Ziel von 100% erneuerbaren Energien in allen Sektoren gilt unabhängig von der auf die Kilowattstunde genauen Menge an künftigt benötigter Energie. Daher sollte der Ausbaukorridor nach guter deutscher Ingenieurs-Tradition mindestens auf das 1,5 fache des prognostizierten Energiebedarfs ausgerichtet sein.
- Zugang fördern
Die Schaffung eines fairen Marktzugangs für erneuerbare Energien und ein dem Ausbauziel angemessenes Anreiz- und Steuerungssystem sind umfassend zu fördern.
- Nutzung bestehender Flexibilitäten
Die Netzplanung muss vorrangig alle bestehenden dezentralen Flexibilitäten nutzen, um unnötige Ausgaben zulasten der Verbraucher durch unnötigen Ausbau zu vermeiden.
- Vorrang klimaneutraler Kapazitäten
Erneuerbare Energien und Speicher, welche selbige vorrangig aufnehmen, haben auch im Kapazitätsmarkt Vorrang.
- Digitalisierung und Flexibilisierung mit Sinn
Die Digitalisierung des Stromsystems muss in erster Linie dazu dienen und auch technisch darauf ausgelegt sein, flexible Verbraucher und dezentrale Speichermöglichkeiten – ob nun chemisch, thermisch, elektrisch oder mechanisch – zu integrieren. Dabei hat die netzdienliche Nutzung des Ladens und Entladens von Speichern Vorrang vor Abregelung.
- Prosumenten den Markt öffnen
Die Förderung des barrierefreien Eintritts von Prosumenten in den Energiemarkt ist ein wichtiges Werkzeug zur Erreichung wirtschaftlicher Betriebsweisen von Anlagen, zur Sicherung von Liquidität im Markt, zur Vermeidung von Übergewinnen und zur Vorbeugung potenziell systemgefährdender Preisspekulationen durch wenige Marktteilnehmer.
- Förderung mit Zielperspektive
Die Förderung der Einspeisung von erneuerbaren Energien muss aufrechterhalten werden, um die Ausbauziele einzuhalten. Jedoch ist es erforderlich, dass ihre Höhe an Bedingungen der Netzdienlichkeit geknüpft werden, um die Netzlast zu senken.
- Forschung für die Zukunft
Die Forschung und Förderung im Bereich von Zukunftstechnologien muss sich strikt an den Ausbaupfaden für erneuerbare Energien orientieren. Sind Technologien nicht geeignet, in einem am Ausbaupfad orientierten Zeitkorridor auf eine relevante Größenordnung skaliert zu werden, oder belasten sie zukünftige Generationen mit unkalkulierbaren Risiken, so ist ihre Förderung nicht möglich.
- Wasserstoff mit klaren Rahmenbedingungen
Die Ausbauplanung von Wasserstoff-basierten Technologien und Infrastruktur muss sich an realistischen Nutzungsszenarien orientieren und kosteneffizient sein. Der aufwandsintensive und risikoreiche Transport großer Mengen an Wasserstoff muss in jedem Fall hinter Lösungen zurückstehen, welche eine teilweise oder vollständige lokale Erzeugung ermöglichen. Es muss einen klaren Pfad zur Versorgung mit 100% grünem Wasserstoff geben, welcher sich am Pfad zur Versorgung aller Sektoren mit 100% erneuerbarer Energie orientiert und dasselbe Zieldatum hat.
- Carbon-Capture last
Die Weiterentwicklung von CCS/CCU Technologien steht hinter den vorgenannten Punkten zurück. Sie stellt eine Lösung zur teilweisen Rückholung der CO2 Emissionen der vergangenen Jahrzehnte dar und darf keinesfalls als Kompensationsmechanismus für verfehlte Emissionsreduktion eingesetzt werden noch Investitionen umleiten, welche in das Ziel der emissionsfreien Erzeugung von Energie hätten fließen können.
- Rechtliche Institutionalisierung netzdienlicher Kleinspeicher
Mit Petition 177835 haben wir Forderungen eingereicht, welche einen ersten Schritt in Richtung der Nutzung vorhandener Flexibilitäten ohne Abregelung der Erzeugung ermöglichen. Diese sollten zügig in gesetzliche Regelungen überführt werden. In der Sitzung des Petitionsausschusses am 13. Oktober stellen wir das Vorhaben vor. Politik und Gesetzgeber müssen diese Forderungen ernst nehmen, wenn für sie die Beteiligung der Bürger an der Energiewende nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.
Wir werden zudem über den Bundesverband Steckersolar eine Stellungnahme an Ministerin Reiche senden, welche diese Punkte umfassen soll. Um damit Gehör zu finden, brauchen wir dich!
Werde jetzt Mitglied im Bundesverband Steckersolar und hilf uns dabei, den Erfolg der Energiewende zu verteidigen und die Beteiligung der Bürger an der Energieversorgung der Zukunft unverrückbar zu verankern!
